Archiv für den Autor: Gerold Ulrich

Bucuresti Juli 2010

Im Sommer 2010 wurde ich aus Bukarest angefragt den dortigen Handwerkern den Umgang mit Kalk näher zu bringen. Das Ziel war die Restaurierung einer Kalkfassade in einem historischen Stadtviertel.
Erhalten sind viele Artefakte, deren Architekturoberflächen noch nicht mit modernen Baustoffen in Berührung gekommen sind und mit wenig Aufwand mittels traditionellen Baumaterialien restauriert werden können.
Die Tradition des althergebrachten Handwerks ist auch in Rumänien in Vergessenheit geraten. Bereits in Zeiten der kommunistischen „Abriss-Kultur“ ist das handwerkliche Wissen abhanden gekommen. Im neuen Millennium haben Baumärkte und somit „globalisierte“ Baumaterialien Einzug gehalten.
Für Bauherren sind alternative Baumaterialien im Bereich des Denkmalschutzes wie im Neubau auch vom Kostenfaktor her interessant.
Es bieten sich also noch viele Chancen dem historischen Bestand gerecht zu werden und diese Baudenkmäler in ihrer Einzigartigkeit zu erhalten.
Diese Situation hat für mich einen besonderen Reiz und war Ansporn Wissen weiterzugeben.
Ein grosses Lob dem Verursacher dieser Mission sowie den Handwerkern, die sich als sehr lernwillig erwiesen und ihr neu erworbenes Wissen umgehend in die Praxis umsetzten.

Kalkglätte wieder entdeckt

Die Kalkglätte wurde bereits von den Römern verarbeitet und war in unserem Raum bis in die Barockzeit weit verbreitet, dann aber in Vergessenheit geriet.

Der Rohstoff Kalkstein wird in unserem Kalkofen gebrannt und daraus wird der Kalkstein in einem speziellen Verfahren gelöscht. Durch dieses Verfahren kann die Glätte ohne jegliche Zuschläge wie Sand oder Marmormehl hergestellt werden.

Die starke Verdichtung bei der Verarbeitung ergibt eine hohe Festigkeit.
Wasserbeständig wird die Kalkglätte, indem sie noch im feuchten Zustand mit Kaliseife behandelt wird.

Kalkglätte findet Verwendung in Denkmalpflege und bewährt sich hervorragend im ökologischen Bau in Nasszellen, an Wänden und Fussböden. Sie bietet vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten, kann fugenlos verarbeitet und in verschiedenen Tönen eingefärbt werden.
Sie ist angenehm im Kontakt und gibt dem Raum eine natürliche Wirkung.

Bauforschung mit Dr. Karl Stingl

„Man darf jeden Baustil als Produkt von zwei Faktoren ansehen, nämlich den Genius des Meisters und seiner Zeit auf der einen und der Beschaffenheit des von der Natur gebotenen Material auf der anderen Seite.“

Eduard Suess

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Fassadenputz um 1850 mit grünlicher, glasiger Schlacke aus der Eisenschmelze als Zuschlagstoff im Mörtel (Schwarzer Hof in Eisenerz, Österreichische Baukulturstiftung).

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Dünnschliff (auf Glas aufgeklebte und hauchdünn geschliffene Mörtelprobe) des Fassadenputzes um 1850 im Mikroskop. Das Schlackekorn in der Mitte ist umgeben vom Mörtelbindemittel (Kalk, braun). Die Schlacke reagiert bei der Erhärtung des Mörtels mit dem Kalk und gibt dem Putz eine erhöhte Festigkeit. Das Schlackekorn ist mit einem Reaktionssaum (dunkelbrauner Saum) umgeben.

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Beim neu errichteten Kalkofen in Istrien (Fa. Kapitel, Zminj) fanden sich alle Materialien zur Errichtung eines Musterhäuschens. Mauerwerk aus istrischen Kalkstein, verputzt mit vor Ort gebrannten Kalk und gedeckt mit alten Dachziegeln. Die rotbraunen Farbmuster wurden aus istrischer Terra Rossa aus einer Doline in der Umgebung hergestellt. Die blauen und grauen Farbmuster wurden aus den Weinreben der Umgebung hergestellt. Die Weinreben werden unter Luftabschluss verkokt, die entstandene Holzkohle dann zu feinem Pulver gemahlen. Dieses „Rebenschwarz“  wird als Farbpigment verwendet ergibt blaue und blaugraue Fassadenfarben.

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Bausalzausblühungen auf einem Ziegel. Durch die Ritzung der Oberfläche wird die Ausblühungen von Bausalzen erleichtert. Ein typischer Bauschaden an mit Zementmörtel lieblos verfugten alten Ziegelmauerwerk.

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Durch die dichte Zementverfugung, statt des alten Kalkmörtels, können die Schadsalze nicht mehr in den Mauerwerksfugen an die Maueroberfläche transportiert werden. Sie wandern in den Ziegel und zerstören zuerst selektiv die am schlechtesten gebrannten Stücke durch Salzsprengung (Festungsmauer Krakau).

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Als Rohgestein zur Herstellung von Roman Cement  wurden von etwa 1830 bis 1920  an der Küste von Sheppy (Großbritanien) der Septaria-Mergel verwendet. Diese Gesteinsknollen (mit feinen netzförmigen Adern „septaria“) sind härter als das restliche Gestein an der Küste, sie werden von der Brandung ausgewaschen. Die Knollen wurden aufgesammelt, gemeinsam mit Kohle in die Brennöfen gefüllt und zu Zementklinker gebrannt.

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Aufnahme eines aus Septaria Mergel gebrannten Roman Cement Klinkers im Rasterelektronenmikroskop (EU-Projekt ROCEM). Beschrieben sind die bei Brenntemperaturen um 900 Grad entstandenen Mineralphasen (Klinkerminerale). Durch das Mahlen der Klinker entsteht das feinkörnige Zementpulver. Roman Cement wurde bis etwa 1920 in großen Mengen hergestellt und war der erste unter Wasser erhärtende Zement.

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Über Dr. Karl Stingl

Tätigkeitsbereich

  • Baustoffanalyse, Befundung historischer Bausubstanz
  • Abwicklung von Bauvorhaben im Bereich Denkmalpflege und Restaurierung (Befundung, Konzepte, Materialwahl, Materialherstellung, Musterflächen, Überwachung)
  • Schulungen/Vorträge/Seminare für Restauratoren, Architekten, Bautechniker und Handwerker über traditionelle Handwerkstechniken und Baustoffe.

Ausbildung

  • Höhere Technische Bundeslehranstalt für Bautechnik – HTBLA, Graz
  • Diplomstudium – Erdwissenschaften an der Karl-Franzens Universität, Graz
  • Doktoratstudium Geologie an der Universität Kiel, Deutschland

Forschung Baustoffe-Restaurierung-Denkmalpflege
Mitarbeiter an nationalen und internationale Forschungsprojekten der TU- Graz, Montanuniversität Leoben, des Bundesdenkmalamtes und der Universität für angewandte Kunst. Derzeit Mitarbeiter im EU-Forschungsprojekt ROCARE (Roman Cements for Architectural Restoration to New High Standards).
Mitarbeiter der Abteilung Baudenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes in Mauerbach in den Bereichen Schulung, historische Materialien und traditionelle Handwerkstechniken.

Leistungen
Materialbestimmung (Natursteine, Kunststein, Ziegel, Baukeramik)
Putz-, Stuck- und Mörteluntersuchungen (Dünnschliffe, XRD, ICPMS, Rasterelektronenmikroskop, etc.)
Anstrich- und Farbpigmentanalyse
Bauwerkskartierungen, Schadenskartierung, Restaurierungskonzepte

Herstellung von Branntkalk, Roman Cement, hydraulischen Kalk
Herstellung von historischen Farbpigmenten und Farben
Objektbezogene Herstellung bzw. Aufsuchung original verwendeten Baustoffe (Putze, Farben, Sande, Bausteine etc.).

Seminare, Schulungen und Veranstaltungen zu den Themen Baustoffe und  Restaurierung sowie traditionelle Baustoffherstellung und handwerkstechnische Verarbeitung

Mörtelboden

Dabei handelt es sich um Kalkmörtelboden, die eine Stärke bis zu 10 cm aufweisen. Da Versuche mit hydraulischen Kalken keine befriedigenden Ergebnisse brachten, entschied man sich für die ursprünglich verwendeten Materialien und Arbeitstechniken. So füllt ein grober Mörtel aus Luftkalk, Kies und Sand eine abgestimmte Mischung. Pigmente, die der zweiten Mischung beigefügt oder partiell in Fresko aufgetragen sind, sorgen für die erforderliche Farbigkeit. Eine geölte Verseifung verleiht der Oberfläche die richtige Brillanz und schützt vor Verschmutzung.

Lehmkaseinböden – Preiswerte Alternative

Die Technik der Lehmkaseinböden ist eine preisgünstige und erprobte Methode, auf dem Boden eine Strapazierfähige Lehmoberfläche einzubauen. Der Lehmkaseinboden besteht aus einer ausgesuchten Lehmrezeptmischung, die mit Kasein (Milcheiweiss) vergütet wird und auf entsprechend vorbehandelte Untergründe dünn aufgezogen wird und mit Öl und Carnaubawachs oberflächenbehandelt wird. Lehmkaseinböden sind fugenlos in einem Arbeitsgang einzubauen; der Untergrund muss fest sein und sorgfältig vorbereitet werden. Die Farbpalette ist unbegrenzt und reicht von allen Erdfarben bis hin zu mit Farbpigmenten eingefärbten Böden. Die verfügbaren Mischungen weiss, gelb, rot und schwarz können je nach Zwischentönen miteinander vermischt oder je nach Bedarf mit bis zu fünf Prozent Erdpigmenten ergänzt werden. Beim Lehmkaseinboden ist wiederum die Handarbeit für Erscheinungsbild und Bodenqualität entscheidend. Faszinierend an den Kaseinböden ist die ökologische und gestalterische Qualität. Alle verwendeten Materielien sind ungiftig. Bodenreste können problemlos über den Kompost entsorgt werden.